Direkt zum Inhalt

Kindesentwicklung: Ein Gespür für echte Anführer

Manche Menschen werden zu Anführern, weil man ihnen ehrlichen Respekt entgegenbringt. Bei anderen spuren wir vor allem deshalb, weil sie Angst verbreiten und Schwächere drangsalieren. Offenbar nehmen schon Kleinkinder Unterschiede zwischen diesen beiden Arten von Machtgefüge wahr, entdeckten Forscher um Francesco Margoni von der Universität Trient in Italien. Sie zeigten 96 Kindern im Alter von 21 Monaten verschiedene Animationsfilme, in denen eine Figur drei andere dazu aufforderte, schlafen zu gehen. Erstere wurde dabei zuvor entweder als respektierter Anführer dargestellt oder aber als Fiesling, der anderen weh tat, um seine Ziele zu erreichen. Die drei anderen Protagonisten leisteten den Anweisungen zunächst Folge – kletterten dann aber manchmal einfach wieder aus dem Bett heraus, nachdem der Anführer oder der Fiesling den Raum verlassen hatte.

Parallel dazu maßen die Forscher, wie lange ihre kleinen Probanden die verschiedenen Szenen betrachteten. Die These dahinter: Kleinkinder schenken Vorgängen, die sie überraschen, länger Aufmerksamkeit als Dingen, die ihren Erwartungen entsprechen.

Und tatsächlich blickten die Versuchsteilnehmer einige Sekunden länger hin, wenn die drei Figuren ihr Bett nach dem Verschwinden des respektierten Anführers wieder verließen, als wenn sie nachhaltig Folge leisteten – die Kinder schienen also offenbar zu erwarten, dass man diesem auf Dauer gehorcht, so die Interpretation der Forscher. Bei den Szenen mit dem Fiesling konnten sie hingegen keine Unterschiede feststellen: Hier war es egal, ob die Protagonisten tatsächlich folgten oder ihm später auf der Nase herumtanzten. »Kleinkinder verstehen, dass man Anführern auch dann gehorchen muss, wenn sie gerade nicht zugegen sind«, sagt Studienautorin Renée Baillargeon von der University of Illinois. »Tyrannen hingegen muss man nur dann Folge leisten, wenn sie anwesend sind.«

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quelle
PNAS 115, S. E8835–E8843, 2018
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.